Wenn die Welt still steht. (Teil 4)

Artwork von selcharan

Lieber Leser:innen, dieser Beitrag ist Teil 4 der Themenreihe Schienensuizid.
Der vorhergehende Beitrag ist folgender: Nachsorge und ein Thema das bleibt. (Teil 3)

Wenn sich die wunderbare Leichtigkeit des Seins in mir entfaltet, ich das Leben und den Moment spüre, ist mein Kopf viel ruhiger und gedämpfter als sonst. Es ist ein sonniger, fast wolkenloser Vorzeigesonntag im April, unerwartet warm, unbeschwert und voller Lachen. Freunde sind zu Besuch und unsere Kinder tollen lachend durch den Garten oder springen rufend auf dem Trampolin: „Papa, papa, guck mal was ich kann!“. Auch die Erwachsenen sind lustig und vergnügt: man unterhält sich, geniesst die Zeit, während man frotzelt, lacht und die gute Zeit schätzt. Die Nachmittagssonne wärmt uns auf und lässt den leicht kühlen Wind vergessen. Noch nie in meinem Leben lagen Leben und Tod auf mich einflussnehmend so nah beieinander, denn in diesem Moment verstirbt mein Bruder.

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Nachsorge und ein Thema das bleibt. (Teil 3)

Liebe Leser:innen, dieser Beitrag ist Teil 3 der Themenreihe Schienensuizid.
Der vorhergehende Beitrag ist folgender: Echos – wenn es immer wieder kommt.

Nach einem Personenunfall (PU) im Bahnverkehr besteht für Lokführer im Regelfall die Möglichkeit ein Nachsorge- und Betreuungsangebot in Anspruch zu nehmen. Dies variiert in Art und Umfang je nach Arbeitgeber und dessen Kooperationsportfolio – manches Eisenbahnverkehrsunternehmen bietet seinen Mitarbeitern gar selbst Hilfsangebote an oder hat entsprechend geschultes Personal inhouse. Trotz vieler guter Nachsorge-Möglichkeiten und der wachsenden Erkenntnis in der Eisenbahnbranche, dass es lange nicht mehr sinnvoll ist, einen Lokführer nach einem PU oder anderem schlimmen Ereignis weiterfahren zu lassen, gibt es leider immer noch zu oft die Meinung, dass psychotherapeutische Betreuung nicht nötig wäre – aus verschiedenen Gründen.

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Echos – wenn es immer wieder kommt. (Teil 2)

Artwork von selcharan

Liebe Leser:innen, dieser Beitrag ist Teil 2 der Themenreihe Schienensuizid.
Der vorhergehende Beitrag ist folgender: Wenn sich von Jetzt auf Gleich Leben ändern.

Tock.

Ich höre es wieder und wieder, während ich auf die Dinge harre, die nun kommen, nachdem der Fahrdienstleiter während des Rückrufes mit mir sprach und dann die vorgeschriebene Ereigniskette in Gang setzte. Stille.
Tock.
Ich warte auf die Notfallkräfte und blicke mich in der Lok um. Prüfe die Leuchtmelder, kontrolliere den C-Druck am Manometer des Bremszylinders, nehme die Bedienhebel auf dem Führerpult in Augenschein. Ich merke es mir nicht, denn ich schaue kurz darauf wieder hin.

Tock.

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Wenn sich von Jetzt auf Gleich Leben ändern. (Teil 1)

Liebe Leser:innen, dieser Beitrag ist der Beginn der Themenreihe Schienensuizid.
Am Endes dieses Beitrages ist der nachfolgende Beitrag verlinkt.

Es ist halb zwei Uhr nachts und die letzte Schicht eines zehntägigen Zyklus als Lokführer im Güterfernverkehr quer durch Deutschland beginnt. Es ist eine Nach-Hause-Schicht, also eine, deren Zielbahnhof für mich örtlich günstig liegt, denn ich komme schnell heim und kann dann meine Ruhe geniessen. Meine Lieblingsstrecke liegt vor mir, vorbei an einem Fluß auf dem sich Nachtlichter auf der Oberfläche spiegeln, tollen Landschaften, unaufgeregt, ereignislos aber schön. Ereignislos ist für einen Lokführer normalerweise der Idealfall: alles geht gut, es treten nur minimale Abweichungen vom Regelbetrieb auf und schon gar keine Unfälle. Gegen Ende meiner Schicht wird es ein Ereignis geben und nichts wird gut.

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